1. Wie kam es zur Entscheidung ein Depeche Mode Fanzine herauszubringen?
Vor ziemlich genau 40 Jahren (August 1983), gelang es mir, 3 gleichaltrige Arbeitskollegen (bei Jacky Maeder Airfreight, Zürich Flughafen) für eine Idee zu begeistern, die mir schon länger durch den Kopf ging… Im Dezember 1982 hatte ich die noch junge, bei uns in der Schweiz noch relativ unbekannte englische Band Depeche Mode nach einem Konzert in Saarbrücken persönlich kennengelernt, und war seitdem in stetigem Kontakt mir der Band und ihrem Label Mute Records (Daniel Miller) geblieben. Warum nicht unser gemeinsames Interesse an der Band in etwas Grösseres umformen?
Es war die Geburt des Swiss Depeche Mode Fanclubs. Doch was soll ein Fanclub eigentlich ‘machen’, außer Leute zu verbinden, welche ein gemeinsames Interesse verbindet?
Da ich schon als 10jähriger in der Schule zuständig für die Schülerzeitung war, schlug ich vor, ein DM Fanzine zu gründen, um andere Depeche Mode Fans über die jeweilig letzten News zur Band zu informieren, Konzert- und andere Reisen zu organisieren und vieles mehr…
Der Name des Fanzines war schnell gefunden: “New Life” – DMs zweite Single, dank der ich im Juni 1981 auf die Band aufmerksam wurde. Und die erste ‘Fanclub’-Reise führte uns im Oktober 1983 zu einem DM Konzert im Hammersmith Odeon in London – inkl. einer riesigen ‘Swiss Depeche Mode Fan-Club greets London’-Flagge, dank der uns Depeche Mode ein paar Tage später zum Treffen in den Mute Records Büros einluden.
New Life entwickelte sich relativ schnell vom reinen ‘Fanzine’ zu einem ‘Soundmagazine’, welches nicht nur über DM berichtete, sondern über artverwandte Musik, die damals noch ‘Techno’ genannt wurde (Electro, Electropop oder gar EBM waren als Worte noch nicht ‘erfunden’ worden…).
Bereits ab Heft 5 erschienen die ersten Interviews mit anderen Künstlern (Stefan Eicher/Grauzone, China Chrisis, Ultravox, Talk Talk, Visage etc. etc.).
In der damaligen Vor-Computer und Vor-Internet Welt, war es uns aber auch von Anbeginn ein Anliegen, neue Bands vorzustellen, inklusive eben erst entstandene Amateurbands.
2. Viele behaupten dass es das Magazin des deutsche Depeche Mode Fanclubs um Maren Bode war, allerdings in der Schweiz herausgegeben. Stimmt das und wenn, welche Verbindungen gab es zu Maren?
Echt jetzt? Hahaha.. Das habe ich bisher noch nie gehört. Nein, Maren Bode hat absolut nichts mit New Life zu tun. Ich war zwar seit 1982 mit ihr im Kontakt, und als der Fanclub startete, hat sie uns etliche Adressen geschickt von Leuten, die man kontaktieren könnte, aber sie hat nichts mit dem Fanclub oder New Life zu tun. Ich habe Ihr allerdings – auch als Dank für ihre Kontakte - in der zweiten Ausgabe von New Life eine ganze Seite gewidmet, unter dem Motto ‘Our Fan-Club Members’, wo ihre Adresse, Telephon- und Fax Nummer drin stand, und der Hinweis, dass sie Live – Tapes und Fotos verkauft ⟃?⇷? Während der DM-Tour für Construction Time Again, also immer noch 1983, habe ich sie dann auch persönlich kennen gelernt. Es gibt sogar ein Foto von Ihr und mir, vor dem Konzertlokal in Köln.
3. In meinem Bekanntenkreis befindet sich ein Ex-Freund von Maren, der mit ihr im Jahr 1985 eine Reise nach England auf die Spuren von Depeche Mode machte und sich dort einfach mal auf die Spuren von Depeche Mode machte. Bei Daves Elternhaus waren sie noch mutlos, aber in der Nähe von Fletchs Elternhaus trafen sie auf eine Gruppe spielender Kinder in der auch Fletchs jüngerer Bruder war, der sie zu seinem Elternhaus von Martin führte und dort machte Martins Mutter auf, die sei einfach mal hereinbat und sie konnten das Wohnzimmer, den Hund und die Katze sowie Martins Jugendzimmer mit Kassetten an der Wand bestaunen. Im Verlauf des Trips trafen sie noch Daniel Miller und die Band Kissing The Pink, die gerade ihr neues Album im Studio aufnahmen. Wie war deine Erfahrung mit Depeche Mode und den Bands aus dem Mute Umfeld zu dieser Zeit? Waren sie alle so locker und entspannt?
Wie schon gesagt: Frank war auch lange mein Freund, und hat jahrelang bei New Life mitgemacht, und New Life später auch in einem Plattenladen in Kassel verkauft.
Die von Dir beschriebene Geschichte kenne ich auch nur von Maren und kann wahr sein, kann ich aber nicht sagen, da ich nicht dabei war.
Ich werde seit 1983 immer wieder gefragt, wie waren DM ‘persönlich’. Auch hier: wenn Du die ersten New Life Ausgaben liest, kriegst Du eine Ahnung davon. Ganz allgemein:
Martin und Andy waren seit jeher die absolut dicksten Freunde und hingen IMMER zusammen ab. Beide waren immer extrem offen, lustig, ‘normal’ und aussergewöhnlich witzig. Sie hatten immer ‘zig Anektoten und lustige Erlebnisse von ihren Tourneen und Reisen zu erzählen. Man hatte schlicht extrem Spass mit ihnen. Gleichzeitig war Martin am Anfang fast abnorm schüchtern – mit Allen, die er nicht schon lange kannte. Das kann Dir jeder bestätigen, der mit der Band in Kontakt war in jenen Jahren.
Absolut ohne ihn ‘schlecht’ machen zu wollen: Dave war wesentlich reservierter und auch in der Band etwas isoliert. Er war immer sehr nett und auch zugänglich, aber nie so witzig wie Martin und Andy (und auch Alan). Ich erinnere mich noch, an DM’s ersten Auftritt in Italien, in einem Kino in Italien. Wie oft in den frühen Jahren, waren auch die Freundinnen von Andy und Dave dabei. Nach dem Soundcheck wollte Dave war von der Stadt sehen – da das Lokal aber nicht wirklich im Zentrum war, habe ich ihn und seine Freundin etwas rumgeführt und Strassen gezeigt, wo’s wenigstens ein kleines bisschen was zu sehen gab. Mit Dave gab’s in all den Jahren auch am meisten zwischenmenschlichen Stress. Das ist ABSOLUT normal, wenn 4 Leute jahrelang immer miteinander auf Reisen sind, und nicht erstaunlich. Aber ich erinnere mich noch an den ersten grossen Streit, den ich miterlebt habe zwischen Martin und Dave (irgendwo in Deutschland, 1983): Fletch kam auch mich zu, hielt mich an den Schultern und sagt: “Seb, are you shocked?”. Ich habe nur gelacht und meinte, Streit sei menschlich – vor allem bei sowas stressigem wie unterwegs auf Tour.
Alan war auch sehr reserviert, aber anders als Dave: Er konnte gerne und oft mitblödeln, wenn Martin und Andy wieder irgendwas ausgeheckt hatten. Gleichzeitig war er der mit Abstand “seriöseste” bei Depeche Mode und ein richtiges Arbeitstier. Er hat seinen ‘Job’ in der Band sehr sehr ernst genommen, und ich bis heute der Meinung, dass Depeche Mode ohne Alan Wilder sich nie zu dem entwickelt hätten, wie sie dann wurden. 1982/1983 war insofern das wichtigste Jahr in der musikalischen Entwicklung ‘in die richtige Richtung’ für DM. Vor allem im Studio, wo’s drum ging aus Martin’s Demotapes die finale Musik zu formen, war Alan Wilder die kompetenteste Figur, der es schaffte Depeche Mode musikalisch von der ‘Happy Synthpop-Boyband’ zu etwas ernsthafterem und reifern zu formen.
Daniel Miller schlussendlich ist der herzguteste Mensch, den ich je kennengelernt habe. Absolut lieb, freundlich, hilfreich und auch er voller Anektoten und Stories. Bevor er Mute gegründet hat, hat er im Rough Trade Shop in London, aber auch als DJ in Hotels gearbeitet und war u.a. längere Zeit DJ in einem Hotel in Zermatt, in der Schweiz. Wohl auch deshalb (das ist meine Vermutung, nicht von Daniel bestätigt – habe immer vergessen, ihn zu fragen!) ist das Matterhorn auf dem Construction Time Again Cover ⟃?⇷?
Wegen Familie etc. kann ich Dir nicht viel sagen. Ich habe die damaligen Freundinnen von Dave, Martin und Andy bekannt (sie wurde dann auch seine Frau), aber ich habe nie versucht, in ihre Privatsphäre einzudringen. Maren Bode war da schon ein etwas spezieller Fall… und der Grund, warum es zwischen der Band und ihr irgendwann keinen Kontakt mehr gab, war genau aus dem Grund: Maren war IMMER Fan geblieben. Sie hat sich nie weiterentwickelt. Sie war unfähig, schlicht befreundet mit den Jungs zu sein, sondern hat sie immer angehimmelt und mit ihren Geschichten und Erlebnissen rumgeprahlt, wobei man irgendwann nicht mehr wusste, was erlebt war, und was von ihr ‘erträumt’… Sie war wirklich nett, versteh mich nicht falsch, aber psychisch sehr labil und 1983/84 habe ich (und viele andere DM Fans ‘der ersten Stunde’) das Gefühl gehabt, dass Maren irgendwie nicht aus ihrer Rolle als ‘die grosse Freundin von Depeche Mode’ rauskam. Wir waren uns auch einig, dass das irgendwann böse enden würde, mit Drogen etc.
Ich habe auch ungezählte und zT. sehr persönliche Erlebnisse mit der Band gehabt, aber ich ging damit nicht hausieren, sondern habe nur die eine oder andere Episode, und immer in Rücksprache mit der Band (nach dem Motto: “Darf ich darüber in New Life berichten?”) auf New Life wiedergegeben. Irgendwann waren dann DM auch nicht mehr so erpicht darauf, Maren zu sehen – und sie hat das natürlich gemerkt, und in ihr ist wohl eine Welt zusammengebrochen. Sie hat mir so unendlich leid getan, AUFRICHTIG!
4. Ab der Ausgabe 11 kann man auf dem Frontcover ein einheitliches "New Life" Logo erkennen, sowie den Begriff "Sound Magazine" lesen. Was hat sich zu den ersten 10 Augaben geändert?
NEW LIFE war ganz am Anfang wirklich SEHR unprofessionell und sehr ‘handgemacht’. Computer gab es damals nur in gaaaanz grossen Firmen (Banken, Versicherungen etc.) und waren für ‘normal Sterbliche’ unerschwinglich teuer. Titel waren mit Filzstift von Hand geschrieben, die Originale wurden dann schlicht Fotokopiert und zusammengeheftet.
In den nächsten Monaten werden ALLE 47einhalb (von der No. 23 gab es noch ein ‘Extrablatt’…) Ausgaben online lesbar sein. Die grösste Schweizer Universität ETH (Eidgenössische Technische Hochschule) Zürich, ist seit Monaten dabei, alle New Life’s zu scannen und aufzubereiten, so dass man dann auch zum Beispiel nach allen Rezensionen, Interviews oder Live-Reviews von ‘FRONT 242’ suchen kann, etc. Ich schreibe das, weil die ersten New Life Ausgaben wirklich SEHR stümperhaft gemacht waren. Halt wirklich von DM-Fans für DM-Fans. Die INFORMATION war wichtig, nicht die GRAFIK oder Aufmachung.
Ich habe von Mai 1984 bis November 1984 in Italien gelebt, und war extrem unzufrieden mit den New Life Magazinen, die während meiner Abwesenheit entstanden – sowohl vom Inhalt, als insbesondere auch grafisch. Ich habe mir dann Gedanken gemacht, und einen engen Freund von mir (Martin Kurzbein – was insofern super ‘passte’, da wir schon eine Andrea Krumbein [Hamburg] im Redaktionsteam hatten ;-) ) aus der Stadt, wo ich bis 1983 gewohnt hatte angefragt, ob er in Zukunft mit uns zusammenarbeiten wollte. Er war grafisch sehr gut, und er hat zusammen mit mir das ganze grafische Konzept des Heftes so entwickelt, dass es nicht mehr allzu ‘handgemacht’ aussah. Martin Kurzbein wurde dann schnell zum wichtigsten Mitarbeiter, während die ursprünglichen 3 ‘Mitgründer’ (Gabi Ackermann, Rene Gastl, Bruno Klingler) mehr oder weniger ausschieden – nicht im Streit oder so, einfach weil sie andere Prioritäten setzten in ihrem Leben, und ich ohnehin immer der war, der den direkten Kontakt zu Depeche Mode pflegte.
5. Wer war außer Dir für das New Life Sound Magazine verantwortlich? Wie kam es zu den Interviews? Wie kam es zu dem Kontakt zu den Bands?
Ganz am Anfang waren wir 4 (die Namen der anderen 3 stehen in meiner Antwort zur Frage 4 drin). Wir waren ein ‘Redaktionsteam’ am Anfang, wobei ich immer der war, der alles organisiert hat, sprich:
- was soll ins Heft?
- wer schreibt was?
- von welchem Konzert sollten wir einen Bericht schreiben?
- welche Band kann man kontaktieren wegen Interview? Und Wer macht das, und über wen (meist Plattenfirma oder Vertrieb in der Schweiz)?
- Organisation von Konzertreisen (Fanclub-Reisen nach London, Basel, Strasbourg etc.etc.)
Nach meiner Rückkehr aus Italien (Ende 1984), habe ich dann ziemlich radikal umgestellt – neue Leute kontaktiert (Martin Kurzbein zB.) und vor allem auch in Deutschland mehr Leute ‘eingeladen’, bei uns mitzuarbeiten.
Meine 3 Mitstreiter der Anfangszeit, sind dann relativ rasch ausgestiegen. In Freundschaft und Eintracht, aber die hatten halt andere Interessen.
Nach einer Weile gabe es dann die ‘Hamburger’ bei uns im Heft: Das waren Seiten, die quasi von unseren Hamburger Freunden autonom gehandelt wurden, also neben der Hauptarbeit von Zürich, gab es quasi einen Hamburger Ableger. Andrea Krumbein war da die Koordinatorin. Die kannte ich seit der 1983 Depeche Mode Tour und wir sind uns unzählige Male auf Tour und Backstage begegnet, waren zB. auch zusammen am Ostberliner Konzert in der Werner Sellenbinderhalle. 1988 war das glaub ich!?
Interviews: Einzelne Mitarbeiter haben das selbst organisiert, oder wenn eine Band nach Zürich kam, ging man da halt hin, und hat vor oder nach dem Konzert versucht, mit der Band zu sprechen. Beispiele der Anfangsjahre: VISAGE, TALK TALK, STEPHAN EICHER etc.
Nachdem New Life auch in vielen Plattenläden zum Verkauf auslag, und dadurch bekannter wurde, haben wir auch Interviews über die Plattenfirmen organisiert (zB. Kraftwerk in München oder so…). Oft kamen auch Mitarbeiter auf mich zu: “Hey – ich hätte Bock die und die Band zu interviewen. Kannst Du das organisieren? Und ich habe das dann entweder über Vertrieb, Plattenfirma oder über meine Privat-Kontakte irgendwie organisiert. Das war gar nicht so schwierig.
6. 1987 gab es eine erneute optische Weiterentwicklung des Magazines : es wurde auf dem Cover bunt. Ist die Weiterentwicklung auch dem zunehmenden Bekanntheitsgrad des Magazines zu verdanken gewesen?
New Life hat sich sehr schnell vom Depeche Mode ‘Fanzine’ zu einem Fanzine für alle viele Arten elektronischer oder alternativer Musik entwickelt. Das hiess damals noch ‘Techno’… und im Technoclub meines Freundes Talla (Frankfurt), lief ja auch was heute EBM/Electro hiesse – erst später hat ‘Techno’ sich zu dem gewandelt, was es heute ist. Das Heft hat also eine grössere Zielgruppe angesprochen, und ab ca. 1986 waren die Verkäufe über die Plattenläden grösser (ab 1987 sogar Wesentlich grösser), als die Abos. In den ersten 2 Jahren gab es New Life NUR im Abo oder per Zusenden von Geld für einzelnen Ausgaben. Dadurch bedingt, wollten wir das Heft halt Schritt um Schritt vergessern und auch optisch professioneller machen. Bedenke dabei: ALLE ‘Original’ New Lifes, also No. 1 bis No. 47 wurden mit der Schreibmaschine geschrieben (ca. 80% von mir selbst – sprich: Mitarbeiter schickten mit Texte zu, die ich dann abtippte), für Titelzeilen habe ich (oder Martin oder andere ‘grafisch begabte’ Mitarbeiter) mit der Schere einzelne Buchstaben ausgeschnitten, und mit Leim auf die Blätter geklebt, die dann eine Seite ergaben. Alle Orginale von NEW LIFE waren A3, die dann beim Drucker auf A4 verkleinert wurden. Auch das rastern der Fotos, das Erstellen der Druckfilme, der Druck selbst, und das Zusammentragen der einzelnen Druckseiten wurde von uns selbst gemacht. Der Chef unserer Druckerei, hat uns alles erklärt und uns nach wenigen Monaten die Schlüssel seiner Druckerei überlassen, wo wir NACHTS (ab 19.30h bis 07.30 morgens) jeweils NEW LIFE gedruckt haben ;-) . Des langen BlaBlas kurzer Sinn: Es war halt wirklich alles handgemacht, Computer gab es noch nicht (jedenfalls keine für uns erschwinglichen), deshalb hatten wir das Bedürfnis, das Beste daraus zu machen – und dazu gehörte halt auch ein farbiges Titelblatt. Das hat natürlich dem Absatz / Verkauf weiter sehr geholfen.
Die fertigen Hefte habe ich dann jeweils in meinen Fiat Tipo gepackt (das waren mehrere Tausend), und bin von Zürich aus quer durch Deutschland gefahren, und habe die Hefte zu den Läden gebracht. Das tolle dabei: Die Läden durften natürlich alle unverkauften Hefte an mich retournieren, wenn ich jeweils die neue Ausgabe brachte, aber: Mit extrem wenigen Ausnahmen gab es NIE Retouren. WOM Frankfurt zB. wollte zuerst jeweils 50. Dann 75, dann 100 und noch mehr - und hat nie auch nur EIN Heft retourniert. Michelle in Hamburg war ähnlich und nach WOM Frankfurt die Zweitbeste Verkaufsstelle. Aber wir hatten auch Läden in Dortmund, Bochum, Düsseldorf, Kassel, Hannover, Marburg etc. etc., die jedes NEW LIFE verkauften.
7. 1989 kam es zu einem neuen Logo und das Magazin erfuhr eine erneute optische Änderung. Wie kam es dazu?
Nach den farbigen Covern, wollten wir das Heft schlicht immer weiter verbessern, und da kam die Idee mit den 7” Singles, da ich ohnehin ein paar Monate vorher eine kleine, eigene Plattenfirma gegründet hatte (Art Sound Records) >>>https://www.discogs.com/it/label/323709-Art-Sound-Records?page=1 und kurz zuvor noch meine erste Platte und CD zusammenstellte (die noch über ein befreundetes Label lief): Transeuropa – A Swiss/Swedish Techno-Compilation>>> https://www.discogs.com/it/master/12721-Various-Trans-Europa-A-Swiss-Swedish-Techno-Compilation
Da war der Schritt zur eigenen kleinen Plattenfirma nur logisch ;-) Transeuropa war übrigens ein phenomenaler Erfolg (wurde ausserhalb der Schweiz von Play it Again Sam vertrieben) und war eine Zusammenarbeit von New Life Schweiz mit New Life Schweden. Ein Freund von mir, Hakan Ehrnst, hatte ein kleines Label in Schweden, und er war begeisterer Fan von New Life, und fragte mich, ob der New Life in Schweden rausbringen dürfe. Das geschah, und war auch dort ein grosser Erfolg - die Zusammenarbeit Schweiz – Schweden auch auf Transeuropa war auch hier nur logisch
8. Es gab zu einigen Magazinen eine 7" als Beilage, z.B. von Die Form, The Klinik, Pankow, Psyche oder auch von Cat Rapes Dog. Führte dieser Schritt zu einer Zunahme der Auflage?
Darauf habe ich zT. schon in der Antwort zur Frage 7 geantwortet: Ja, dieser Schritt war extrem wichtig, und die Auflage hat sich zwischen der Ausgabe 40 und der letzten Ausgabe (47) fast verdoppelt.
9. Wie kam es dazu dass das Magazin von der Schweiz nach Melsungen zu Uwe Rothhämel kam? Hattest du es komplett abgegeben, oder warst du darin noch weiter involviert?
Die Ausgabe 48 war eigentlich schon fast fertig, als ich mit Pankow zu einer USA- und Canada Tour musste (28 Konzerte, März bis Mai 1990). In meiner Abwesenheit, hätte Sven Freuen das NL48 fertigestellen (wäre eine geile Ausgabe gewesen, mit exklusiv Interviews mit Skinny Puppy, Frontline Assembly, Nitzer Ebb, Erasure…), in Deutschland in Druck geben und an unseren Vertrieb Semaphore in Nürnberg schicken sollen.
Als ich aus USA zurückkam, war von New Life 48 nichts zu sehen, und Sven Freuen war ‘verschwunden’. Damals gab es ja noch kein Internet – telephonisch war er nicht erreichbar, und alle anderen New Life Mitarbeiter hatten ebenfalls den Kontakt zu Sven verloren. Ich war absolut verzweifelt, bin mit dem Auto bis zu Sven’s Haus gefahren, ohne ihn anzutreffen und mit leeren Händen zurück in die Schweiz… Ich war dermassen frustriert, dass ich entschied, New Life einzustellen. Ich hatte zwei Angebote, als Labelmanager zu arbeiten: eines aus Antwerpen/Belgien (von KK Records) und eines aus Florenz/Italien (Contempo Records). Nach einer letzten Pankow Deutschland Tour im Sommer, bin ich dann im Juli nach Italien gezogen. Von Sven Freuen habe ich NIE mehr ein Wort gehört seit damals – er war der Totengräber von New Life. Viele Jahre später erst habe ich erfahren, dass er wohl Drogenprobleme hatte, und er wohl schlicht überfordert war, die Fertigstellung und den Druck von New Life 48 zu organisieren…
10. Ich hatte mal vor einigen Jahren mit Uwe telefoniert, der mir sagte dass das Magazin wegen Problemen mit der Druckerei eingestellt wurde und aus keinem anderen Grund. Der Name wurde laut ihm an Talla 2XLC verkauft, der aber das Magazin niemals wieder aufleben ließ. Wie siehst du selbst das unrühmliche Ende eines solch legendären Magazines?
Ich hab gar nix verkauft. Talla war ein guter Freund von mir, und ebenfalls Armin Johnert (damals noch Discomania), der dann New Life ab 1992 wieder aufleben liess. Beide haben mich irgendwann 1992 kontaktiert, und angefragt, ob sie New Life wieder neu aufleben lassen dürften, da sie bei FRONTPAGE aussteigen wollten, wegen unüberbrückaren Meinungsverschiedenheiten mit anderen Leuten, die bei FRONTPAGE involviert waren. Ich habe beiden das okay gegeben, mit der einzigen Bedingung, dass ich jeweils von jeder Ausgabe 3 Stück zugeschickt kriegt. Das war die einzige ‘Bezahlung’
11. Ich selbst hatte ein sehr witziges Erlebnis mit dem New Life Sound Magazin. Ich hatte an einem Tag keinen Bock in der Oberstufe auf Mathematik in der 5 und 6 Stunde und bin dann lieber an dem Tag in den CD/Plattenladen "CD Pur" in Kassel gegangen. Neben dem Verkäufer waren da noch 2 Kerle, die für mich eher so Trip-Hop lastig dreinschauten. Ich selbst hatte das "Neurodancer" T-Shirt von Front 242 an und hinten auf dem Rucksack einen riesigen Front 242 Aufnäher. Meine Optik war stark EBM lastig : vom Flat bis zu den Rangers.. Ich bemerkte nach einiger Zeit dass die beiden Kerle irgendwas tuschelten und als in meine Richtung schauten. Allerdings konnte ich das Tuscheln nicht verstehen, da es auch noch in einer anderen Sprache war. Irgendwie verfolgten die mich : wenn ich bei dem Vinyl schaute, waren die um mich herum, wenn ich bei den CDs war auch. Ich fühlte mich bereits genervt und belästigt und als die beiden "Trip-Hopper" auch noch Front 242 CDs in den Händen hatten und regelrecht damit winkten, war das zuviel für mich und ich verließ dann gestresst den Plattenladen. Das New Life konnte man zu der Zeit in Kassel leider nur am Hauptbahnhof in dem dortigen Zeitschriftenladen bekommen. Als ich dann einige Zeit später die kommende Ausgabe kaufen wollte, traf mich fast der Schlag als ich die beiden "Trip-Hopper" auf dem Cover des New Life Magazines sah : zwei Mitglieder von Front 242!!!!!
Gibt es eine verrückte Story mit einer Band aus deiner Zeit des New Life Sound Magazines, die du uns berichten kannst?
Ja, gäbe es bestimmt… aber dann müsste ich mich jetzt hinsetzen und STUNDENLANG schreibseln… Dazu fehlt mich schlicht die Zeit. Eine kleine Episode vielleicht:
Ich wurde irgendwann 1987 von Depeche Mode nach London eingeladen, um ihrem Auftritt in der Wembley Arena (Januar 1988) beizuwohnen. Zwei/Drei Tage vor dem Gig, war ich in einem Plattenladen in Camden Town, und war extrem überrascht, NEW LIFE No. 27 zum Verkauf ausgelegt zu finden… Ich hatte New Life an niemanden (ausser Mute + Depeche Mode – die jeweils 20 Stück von jeder Ausgabe erhielten) in London verschickt… Dazu musst Du wissen, dass NL27 die Ausgabe war, die mit Abstand am meisten Depeche Mode-spezifischen Inhalt hatte. Es war die Ausgabe (Juli 1987), in der wir über die ‘Music for the Masses’ Aufnahmen berichteten. Martin Kurzbein und ich waren damals von Depeche Mode ins Studio eingeladen worden, und hatten während den Pausen alle 4 DM Mitglieder ausführlich zum bevorstehenden Album interviewt.
Als ich noch grübelte, wie wohl New Life in diesen Plattenladen gekommen sein konnte, fand ich beim Durchschauen der ‘Neuheiten’ auch die LP der Band, die ich seit 1987 managte (Pankow). Genau in dem Moment, als ich die Platte (Freiheit für die Sklaven) in meinen Händen halte, tippt mir jemand von hinten auf die Schulter. Ich drehe mich um, und Martin Gore steht vor mir mit seinem breitesten Grinsen! Es folgt grosses Hallo und Umarmen, und ich mache Martin auf die Platte aufmerksam: ‘That’s the band, that I’m managing. The Album was produced by Adrian Sherwood. You should listen to it!’
Martin lässt sich das nicht zweimal sagen, und kauft sich die Platte… Naja: Und er war es dann wohl auch, der NEW LIFE 27 an den Plattenladen gegeben hat… er war da Stammkunde und er war extrem erfreut über New Life 27 – nach seiner Aussage die bis dahin beste New Life Ausgabe.
12. Was hast du nach dem Ende deiner Zeit beim New Life Sound Magazine gemacht?
Von Juli bis Dezember habe ich erst mal auf dem Bauernhof meines Bruders, ca. 70 km von Florenz gearbeitet, und am 6. 12. 1990 habe ich dann als International Manager und Labelmanager beim Label und Vertrieb Contempo Records (wo Pankow unter Vertrag waren) gearbeitet. Ich habe Clock DVA, Lassigue Bendthaus, Attrition, Christian Death und viel andere Bands gesignt – neben ClockDVA war die italienische Band Technogod ein Riesenerfolg für uns (Talla zB. hat sie zu einem Live-Gig im Technoclub/Dorian Gray am Flughafen Frankfurt eingeladen). Ich war aber auch für 4AD zuständig - wir haben das englische Label in Italien vertrieben, und unzählige Platten von denen auf Lizenz in Italien vertrieben (Dead Can Dance, Cocteau Twins, Pixies etc.etc.). Im September 1993 bin ich bei Contempo ausgestiegen (warum, wäre eine andere, SEHR lange Geschichte) und am 6. 12. 1993, also auf den Tag genau 3 Jahre nachdem ich bei Contempo angefangen hatte, habe ich mit weiteren Kollegen von Contempo eine eigene Firma gegründet: Den Musikvertrieb AUDIOGLOBE – und mein eigenes Label Sub/Mission Records.
Ich bin zuständig für alle Electro/Wave/Industrial/Gothic Labels auf der Import-Seite, und handle den ganzen EXPORT. Ich exportiere in über 40 Länder der Welt, aber eben NUR die Art Musik, über die damals schon New Life von 1983 bis 1990 geschrieben hat: Ich bin wirklich stolz darauf, dass AUDIOGLOBE [ Facebook I Homepage ] heute nicht nur der grösste Indie-Musikvertrieb Italiens ist, sondern auch der mit Abstand grösste Export-Vertrieb für die Musik, der NEW LIFE gewidmet war. Damit hat sich der Kreis geschlossen :-)
Vielen Dank für deine Zeit und die Beantwortung meiner schriftlichen Fragen.
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